Hic Kosov@, hic saltaIn der GSoA-Zitig 74 haben wir unter dem Titel «Und wieder pennt Europa» über verschiedene Ansätze zu einer gewaltfreien Lösung des Kosov@-Konflikts berichtet. Einer dieser Ansätze ist ein «Dialog von unten» zwischen VertreterInnen der Konflikparteien. Die Ergebnisse dieses Dialogs stellen wir vor.(rb/mh) Auf Einladung der deutschen Bertelsmann-Stiftung fand im Oktober 1996 in Rhodos ein Treffen statt. Zu den Teilnehmenden gehörten unter anderen Veton Surroi, Chefredaktor der grössten und unabhängigen kosovarischen Tageszeitung Koha Ditore, Predrag Simic, Direktor des Instituts für Internationale Politik und Ökonomie in Belgrad, und Gazmend Pula, Präsident des Helsinki-Komitees des Kosov@*. Ziel dieses Dialogs war, gemeinsame Empfehlungen für eine gewaltfreie Bearbeitung des Kosov@-Konfliktes zu erarbeiten. Mit der fortschreitenden Eskalation im Oktober 1997 (gewaltsames Vorgehen gegen Studentendemonstrationen in Prishtinë/Pristina seitens der serbischen Polizei), Anfang März 1998 (Massaker an albanischen Zivilisten und angeblichen Terroristen in der Region Drenica) und Ende Mai/Anfang Juni 1998 (grosse Säuberungsaktionen der serbischen Sicherheitskräfte im Grenzgebiet zu Albanien) hat sich die Lage drastisch verändert. Die Bertelsmann-Stiftung fördert den Dialog zwischen kosov@-albanischer und serbischer Seite dennoch weiter. Kürzlich fand eine weitere Konferenz in Thessaloniki statt, an welcher der Bischof der serbisch-orthodoxen Kirche in Prishtinë/Pristina, der Präsident der Parlamentarischen Partei Kosov@, Adem Demaçi, sowie Vertreter der albanischen Regierung, der Studentenbewegung und internationaler Organisationen teilnahmen. Wir veröffentlichen die (gekürzten) Empfehlungen zu einer Konfliktlösung, die aus dem Treffen in Rhodos von 1996 hervorgingen. Wir wollen damit dokumentieren: Bereits vor Jahren haben VertreterInnen beider Parteien eine Vielzahl von Vorschlägen zur gewaltfreien Beilegung des Konflikts gemacht. Nur: Sie wurden kaum zur Kenntnis genommen. Trotz der seither veränderten Lage zeigen die Vorschläge, welche Schritte nötig wären. Gemeinsame Empfehlungen«Gemeinsames und schnelles Handeln ist erforderlich, um eine weitere Eskalation der Gewalt im Kosov@ zu vermeiden, die Lebensumstände zu verbessern und eine friedliche politische Lösung des Konflikts vorzubereiten. Daher richten die Teilnehmer des Dialogs ihre Empfehlungen an die kosov@-albanische und die serbische politische Führung, die internationale Gemeinschaft und die betroffene Öffentlichkeit. Sowohl die serbische als auch die kosov@-albanische Seite sollte verstehen, dass Kompromisse in praktischen Bereichen weder die Anerkennung des Status quo implizieren noch die zukünftige Übereinkunft präjudizieren. Gemeinsame Verhandlungen demokratisch gewählter Vertreter der Serben und der Kosovo-Albaner mit internationaler Unterstützung und Beteiligung sollten folgende Verpflichtungen anstreben: Vertrauensbildende Massnahmen
Heute bereitet die Nato ihre nächste Friedensintervention vor. Diesmal für den Kosov@. Dabei lägen schon seit Jahren brauchbare Konzepte für eine gewaltfreie Deeskalation der Lage in Kosov@ bereit. Doch offenbar braucht es Waffengewalt, um den Friedenswillen in den politischenHauptquartieren des Nordens zu wecken.
Verbesserung der Sicherheit
Garantie der Grundrechte
Einbezug der internationalen Gemeinschaft
Die internationale Gemeinschaft soll finanzielle, technische und politische Unterstützung für die Umsetzung dieser praktischen Verbesserungen und vertrauensbildenden Massnahmen leisten. Eine vollständige Integration der Bundesrepublik Jugoslawien in die internationalen Organisationen wird von ihrer Rolle bei der Regelung des Kosov@-Problems abhängen.» * «Kosov@» ist die neutrale Schreibweise der ehemaligen Autonomen Provinz. Albanisch heisst das Gebiet «Kosov@», serbisch «Kosovo und Metohija». |
Eskalation ohne Alternative?Die Gewalt im Kosov@ eskaliert. Hunderte von Toten, Tausende von Vertriebenen. Die serbischen Sicherheitskräfte säubern und verwüsten ganze Landstriche im Grenzgebiet zu Albanien. Milosevic sucht den Krieg. Um seine Macht zu verteidigen, will er den Ausnahmezustand ausrufen und die demokratischen Kräfte und unabhängigen Medien ausschalten. Aber auch die kosov@-albanische Befreiungsarmee UÇK setzt auf eine Eskalation der Gewalt bis hin zum Nato-Einsatz, um dadurch endlich die jahrzehntealte Erwartung der Unabhängigkeit erfüllt zu bekommen. Die Entwicklung erinnert brutal an den Beginn des Krieges in Kroatien: Die mehrheitlich serbisch bewohnten Gebiete der Krajina erklärten sich Ende 1990 für unabhängig und bildeten einen eigenen Staat, die Republika Srpska Krajina (RSK). 1995 eroberte die kroatische Armee diese Gebiete und gliederte sie wieder dem kroatischen Staat ein. Was ist geblieben vom Selbstbestimmungswunsch der serbischen Bevölkerung? Nichts als Vertreibung und Verzweiflung, verbrannte Erde und menschliches Elend. Die kosov@-albanische Bevölkerung riskiert ein ähnliches Schicksal, wenn sie der militaristischen Strategie der «Befreiungsarmee» UÇK folgt. Militärisch und politisch hat der bewaffnete Kampf gegen die serbische Vorherrschaft keine Chance. Trotzdem erhält er genährt aus der Verzweiflung massenhaften Zulauf. Die internationale Politik ist bis heute nicht gewillt, die bestehenden politischen Konzepte oppositioneller Kräfte auf beiden Seiten ernst zu nehmen. Um die eigene Unfähigkeit, das Versagen in den letzten 15 Jahren zu verbergen, versteckt sie sich heute wieder hinter militärischen Überlegungen. Und die Schweiz? Ihre Hauptanstrengungen richteten sich bisher darauf, die abgewiesenen Flüchtlinge aus dem Kosov@ loszuwerden. Roland Brunner Die Medienhilfe Ex-Jugoslawien hat eine umfangreiche Dokumentation zum Kosov@-Konflikt zusammengestellt, die für 20 Franken bezogen werden kann bei: Medienhilfe Ex-Jugoslawien, Postfach, 8031 Zürich. Die meisten dieser Dokumente finden sich auch auf der Homepage http://www.medienhilfe.ch Detaillierte Informationen über die Arbeit der Bertelsmann-Stiftung finden sich auf der Web-Seite http://www.bertelsmann-stiftung.de (fixed 3.4.2003) |