Zivildienstkolummne

Rund 3500 Zivildienstgesuche sind seit der Einführung des Zivildienstes vor knapp zwei Jahren eingereicht worden, über 2000 Anhörungen wurden durchgeführt – die meisten Gesuchsteller wurden zugelassen. Rund 100’000 Tage Zivildienst sind seither geleistet worden. Für viele Schweizer, die sich mit dem Militärdienst schwer tun, hat die Einführung des Zivildienstes wesentliche Verbesserungen gebracht. Sie können heute zu ihrer Überzeugung stehen und etwas Sinnvolles tun. Zahlreiche Zivildienstinteressierte sind aber in eine neue Zwickmühle geraten. Das Gesetz erlaubt nur einer ganz bestimmten Gruppe von Menschen, Zivildienst zu leisten. Nur jene werden zum Zivildienst zugelassen, die «glaubhaft machen, dass sie den Militärdienst nicht mit ihrem Gewissen vereinbaren können». Probleme bekommt beispielsweise, wer ehrlich aufzählt, was ihn daran hindert, Militärdienst zu leisten: Mühe mit autoritären Vorgesetzten, der unmenschliche Befehlston, Angst vor Gewalt oder die Überzeugung, Militär sei Unsinn – das alles hat mit einem Gewissensentscheid nichts zu tun. Wer solche Gedanken in seinem Gesuch formuliert, geht ein deutlich höheres Risiko ein, abgewiesen zu werden.

Ungelöst ist trotz zahlreicher Versprechen auch das Problem mit der langen Dauer des Anerkennungsverfahrens. Noch immer gibt es Gesuchsteller, die bis zur Anhörung ein Jahr warten müssen. Wiederholt wurden Massnahmen angekündigt, um die Wartefrist auch in der Deutschschweiz auf drei Monate zu verkürzen. Bis jetzt ist das jedoch nicht geschehen, und die Anzahl der hängigen Gesuche ging nur geringfügig zurück. Noch ärgerlicher ist, dass nach der Anhörung unter Umständen mehrere Monate verstreichen, bis endlich ein Entscheid gefällt wird. Menschen werden in unzumutbarer Weise im Ungewissen gelassen. Offenbar ist das zuständige Bundesamt nicht in der Lage, einen negativen Entscheid innert nützlicher Frist zu fällen.

Wer einen negativen Entscheid erhält, kann dagegen Beschwerde führen. Die Mehrzahl der Betroffenen hat dies auch getan, leider sind die Chancen nur gering – zur Zeit wird jeder siebte Rekurs angenommen. Die Rekursinstanz verzichtet auf eine grundsätzliche Neuüberprüfung des Falles. Der Gesuchsteller wird nicht nochmals angehört. Wer zusätzliche Ausführungen in der Beschwerde macht, dem wird mitgeteilt, er hätte das ja bereits früher machen können. Die Rekurskommission prüft nur, ob die Vorinstanz offensichtliche Fehler gemacht hat. Wenn die Rekursinstanz schliesslich eine Beschwerde gutheisst, bedeutet das immer noch keine Zulassung zum Zivildienst. Es folgt dann eine erneute Anhörung vor einer Zivildienst-Zulassungskommission. Erst dann wird das Gesuch (vielleicht) gutgeheissen. Viele Hürden gilt es immer noch zu übersteigen, bis man zum Zivildienst zugelassen wird. Und dennoch wählen jedes Jahr über tausend junge Männer diesen Weg. Es ist unschwer vorstellbar, dass die Zahl der Zivildienstleistenden massiv steigen würde, wenn die Spiesse für den Zivl- und den Militärdienst gleich lang wären. Bis dahin aber wir aber noch ein gutes Stück Weg vor uns. Ruedi Winet


Skandalös

Der Brunner-Bericht stösst in friedenspolitischen Organisationen und in der politischen Linken auf Ablehnung. Das ist auch gut so. Oder soll etwa Christoph Blocher den Durchmarsch der Ogi-Boys in die Nato verhindern?

• Von Hans Hartmann

Die vom Militär- und Sportdepartement (VBS) propagierte ‹Armee-Reform› geht in eine falsche Richtung. Friedenspolitisch engagierte Organisationen lehnen die geplante ‹Modernisierung› des helvetischen Militarismus mit überzeugenden Argumenten ab. Wir fassen als zwei Beispiele die Stellungnahmen der cfd-Frauenstelle und der SP Schweiz zusammen.

cfd: Skandalös

Die Frauenstelle für Friedensarbeit des Christlichen Friedensdienstes (cfd) hat zum Brunner-Bericht pointiert Stellung genommen. In zentralen Punkten deckt sich diese – vom Schweizerischen Friedensrat unterstützte – Kritik mit derjenigen der GSoA (vgl. S. 5). Die Kommission, so heisst es im cfd-Beitrag, verstehe ‹Sicherheit› als primär militärisches Problem, was sich zuerst an ihrer falschen Prioritätensetzung im Ressourcen-Einsatz zeige: «Statt an Kostenreduktion scheint die Kommission mehr an eine Ausgabenverlagerung hin zu höherer Professionalisierung und Spitzentechnologie gedacht zu haben.» Angesichts armuts- und gewaltbedingter Migration von Millionen von Menschen und einer sich zunehmend öffnenden Wohlstandsschere hierzulande sei diese «Empfehlung einer neuen Aufrüstungsspirale» skandalös.

Im Bereich der internationalen Zusammenarbeit diagnostiziert der cfd bei der Brunner-Kommission ebenfalls «eine militärische Einschränkung der politischen Phantasie». Es sei unverständlich, «warum über Zusammenarbeit mit der Nato nachgedacht wird, ein Uno-Beitritt aber nicht einmal als Fernperspektive erwähnt wird». Dass die Kommission die Aufstellung eines international wirkenden «Solidaritätskorps» ausdrücklich im Rahmen der Armee fordert, sei in diesem Zusammenhang besonders störend. Die cfd-Frauenstelle unterstützt nämlich die Idee, dass «die Schweiz Kontingente … für Rettungs- und Friedenseinsätze und Aktionen zur Unterstützung ziviler Behörden» aufstellt, bezweifelt aber, «dass militärische Strukturen, welche auf männlichen Hierarchien und auf dem Prinzip von Befehl und Gehorsam basieren», friedens- und demokratiefördernd wirken können.

Der Leiter des Instituts für Konfliktlösung der Schweizerischen Friedensstiftung, Günter Bächler, hat die Ursachen dieser politischen Phantasielosigkeit (in der NZZ vom 20. April 1998) fogendermassen erklärt: Die Kommission habe in «Operationen anstatt in politischen Kategorien gedacht» und die Aufgaben der Armee dementsprechend gar nicht grundlegend hinterfragen können. Dass beispielsweise ein Solidaritätskorps «nur im Rahmen einer mit der Aussen- und Entwicklungspolitik … abgestimmten Strategie der mittel- und langfristig konstruktiven Konfliktbearbeitung überhaupt Sinn» machen könnte, habe sie sich daher nicht überlegt.

Halbierte Sicherheitsdiskussion

Besonders scharf wendet sich die cfd-Stellungnahme gegen den Armeeeinsatz im Innern und gegen den geplanten «Sicherheitsrat»: «Militärische Einsätze bei inneren Unruhen sind eine Bankrotterklärung des Staates, der damit kundtut, die Zustimmung der Bevölkerung weitgehend verloren zu haben.» Der mit einer unangemessenen Machtfülle ausgestattete Sicherheitsrat sei nicht zuletzt daher abzulehnen, weil Institutionen des Krisenmanagements dazu neigen, «diese Krisen und Bedrohungen via eigener Existenzberechtigung» auszurufen wenn nicht gar zu erzeugen. Gleiches gelte auch für den geplanten Einsatz der Armee an der Grenze: «Ausserordentliche Situationen sind, wenn trainiertes Personal für sie zur Verfügung steht, schnell herbeigeredet». Eine militärische «ultima ratio» gegen Flüchtlinge an der Grenze ist für den cfd «indiskutabel». Es sei daher «bitter», dass gerade im Zusammenhang mit der Flüchtlingspolitik die Kommission ihre Zuständigkeit aufs militärische Nachdenken beschränke.

Ganz grundsätzlich vermissen die cfd-Frauen im Brunner-Bericht jeglichen Hinweis auf die «umfassend praktizierte Alltagsgewalt gegen Frauen in der Schweiz». Ein Begriff von Sicherheit, der ausschliesslich den öffentlichen Raum im Blick habe, reduziere die Sicherheitsbedürfnisse auf ihre männliche Wahrnehmung, denn: «Neun von zehn Gewalttaten gegen Männer in der Schweiz werden in der Öffentlichkeit verübt, neun von zehn Gewalttaten gegen Frauen im Privaten.»

Kritische SP

Gespannt sein durfte man auf die Position der SP. Immerhin haben mit Andreas Gross und Thomas Onken zwei profilierte Genossen den Brunner-Bericht mitunterzeichnet, und fast-Bundesrat Werner Marti forderte im Parteiblatt «SP-Info» (vom 27. Februar) umgehend «eine rasche Umsetzung der wichtigsten Zielsetzungen» des Dokumentes.

In der offiziellen SP-Stellungnahme (vom 29. Juni) überwiegen dagegen die kritischen Töne: Dem Bericht fehle ein konkretes Abrüstungsprogramm; er sei Nato-lastig und setze zu sehr auf repressive Gefahrenabwehr statt auf die Früherkennung und Prävention von Konflikten sowie auf die Bekämpfung von deren Ursachen. Damit setze er die überholte «Dissuasionspolitik» fort. Die konkreten Vorschläge der Brunner-Komission finden erst Recht keine Gnade. So lehnt die SP ein «Schweizer Solidaritätskorps in der im Bericht Brunner vorgeschlagenen Form» als «Militarisierung ziviler Aufgaben im Ausland» ab. Auch innenpolitisch sieht sie im Bericht Brunner eine «inhärente Tendenz zur Militarisierung bisher ziviler Bereiche unserer Gesellschaft».

Kurz: Für die SP «reiht sich der Bericht Brunner – zu unserem Bedauern – ein in die vielfältigen Versuche der vergangenen Jahre, der Schweizer Armee angesichts des Bedeutungsschwundes der Landesverteidigung neue Aufgaben zuzuschanzen, um damit ihrer schwindenden Legitimation entgegenzutreten». Das sind klare Worte. Im Hinblick auf kommende sicherheitspolitische Auseinandersetzungen bleibt nur zu hoffen, dass sich das sozialdemokratische «Bedauern» auf die Tatsache bezieht, dass für eine zusehends überflüssiger werdende Institution immer mehr Rechtfertigungsaufwand betrieben wird – und nicht etwa darauf, dass dabei nichts Gescheites herauskommt.


Tatort Einsiedeln

Die militärische ‹Intelligenzija› kennt ihren Feind von heute, wie tolle und originelle Übungsszenarien zeigen…

• Von Zoltan Doka

Wieder einmal kam ich in den Genuss, die bemerkenswerten Führungsleistungen unserer Armee hautnah zu erfahren Der Tatort war Einsiedeln. Alles überragend thronte das Kloster über dem Städtchen. In dem Gewimmel von PilgerInnen erspähte mensch ab und zu grün-braun gekleidete Leute. Diese Sonderlinge, zu denen auch ich gehörte, waren Teil eines Militärspitals.

Nachdem in der ersten Woche sich die psychische und physische Belastung sehr in Grenzen hielt, wurde in der zweiten Woche vor allem eines hart trainiert: warten. Aber alles konzentrierte sich schliesslich auf die «Übung», die in der letzten Woche einen fulminanten Abschluss bilden sollte.

In dieser Übung konnten wir umfassend anwenden, was wir uns in den zwei Wochen zuvor angeeignet hatten: die Kunst des Verharrens an einem Ort – kurz: warten. Einzig das Übungsszenario, das irgendwelche Offiziere ausgeknobelt hatten, war interessant. Da war die Rede von vielen Leuten, die in die Schweiz strömten. Aha, es sind wohl Flüchtlinge gemeint. Diese Flüchtlinge kamen vom «Süden». Um das ganze realistischer zu gestalten, wurde angenommen, dass einige dieser vom Süden kommenden Menschen irgendwelche Anschläge in den Städten des Mittellandes verüben wollen. Und damit es noch realistischer wird, wurde verordnet, dass die ganze Zentralschweiz unter Wasser steht. Auf den Manöverkarten sah das auf alle Fälle sehr imposant aus…

Der Feind ist bekannt

Ich kann mich nur fragen: Welche Menschen denken sich so etwas aus? Welche Bilder haben denn diese Leute im Kopf? Es wird am neuen Feind rumgebastelt. Und der neue Feind sind Menschen, die aus Verzweiflung ihre Sachen packen. Und wie selbstverständlich nimmt unsere militärische ‹Intelligenzija› an, dass viele dieser ‹Gestalten› kriminell sind und einfach so in die Schweiz kommen, um Bomben zu legen. Es wird das Bild vermittelt, wir müssten uns gegen Flüchtlinge verteidigen, weil sie eine Gefahr darstellten. Diese Umkehr aller menschlichen Vernunft zeigt die Ignoranz des Militärkaders vor den realen Problemen und Herausforderungen, die wir haben. Solche Übungsszenarien sind Ausdruck einer Gesinnung, die alles zu Feind erhebt, damit man schliesslich irgendeinen Feind hat.

Eines Abends ‹verschoben› wir uns zu einem Bier. Wir wurden von zwei jungen Einheimischen angesprochen. Sie fragten, welchen Rang wir hätten und ob es interessant sei hier im «Dienst». Nach einigen ausgetauschten Nettigkeiten wurden wir gefragt, ob wir die rechte Szene kennen. Mein Kollege erwiderte «Nein, ich bin Türke», womit dann die Diskussion abrupt beendet war.

Ich dachte mir, jener Jüngling wird dereinst auch irgendwelche irrwitzigen Szenarios «üben» wollen. Geben wir ihm dazu keine Gelegenheit und schaffen die Armee ab!


Bumm

’s ist wieder Krieg.

Natürlich, Krieg ist immer irgendwo. Z.B. der Bürgerkrieg in Afghanistan, seit Jahren schon, in einem von Waffen starrenden Land (am meisten Waffen erhielten die Kriegsparteien von den USA, aber früher, als sie noch gegen die Kommunisten und die UdSSR, das «Evil Empire» Reagans, kämpften). Oder, ähnlich, der Bürgerkrieg im Sudan. Das Fernsehen hat Bilder von Kindern mit Hungerbäuchen gezeigt (haben Sie’s gesehen?).

Aber hier soll von einem anderen Krieg die Rede sein. Auf der einen Seite steht die USA, auf der anderen Seite ‹islamistische› Terroristen, deren Kopf, so scheint es, der in Afghanistan lebende Saudi Osama Bin Laden ist. Beide Seiten sprechen von Krieg.

Am 7. August forderten Bombenattentate auf die US-Botschaften in Nairobi und Dar es Salaam 263 Menschenleben. Bin Laden war laut CIA-Ermittlungen Drahtzieher der Attentate. Am 20. August bombardierten die USA ein ‹Trainingslager für Terroristen› in Afghanistan und eine Chemiefabrik im Sudan, die laut vagen Indizien einen Ausgangsstoff für C-Waffen hergestellt haben soll – als Vergeltung für die Bomben auf die US-Bürger in Afrika. Islamistische Gruppen kündeten danach ihrerseits Vergeltung an. Der Krieg gegen den Terror habe erst begonnen, heisst es auf Seiten der US-Regierung.

Die USA wollten mit ihrem Angriff abschrecken. Kann man «Heilige Krieger» abschrecken? «Wir zeigen mit unseren Schlägen, dass es für Terroristen keinen sicheren Hafen gibt», sagte US-Aussenministerin Albright am 21. August. Der sichere Hafen der Terroristen ist das Himmelreich für Märtyrer, das ihnen religiöse Fanatiker versprechen. «Terroristen müssen wissen, dass Amerika seine Bürger beschützt», sagte Präsident Clinton am selben Tag. Aber vor Terroranschlägen gibt es keinen militärischen Schutz, gegen Fanatismus keine militärische Waffe. Die Logik des militärischen Zweikampfs versagt gegen den Terrorismus, «eine der grössten Gefahren unserer neuen globalen Ära» (Clinton). Statt dessen haben die USA antiamerikanische, antiwestliche Gefühle einmal mehr angeheizt, was wiederum den Terroristen nützt – je mehr zivile Opfer, desto besser. Da hilft es nichts, wenn Clinton sagt, die US-Bomben hätten sich nicht gegen den Islam gerichtet. Und ein Nachdenken über Ursachen des Konfliktes findet nicht statt, solange man ja noch Bomben hat.

Eine der Begründungen für die Bomben auf den Sudan lautete, dass die Terroristen sonst bald über C-Waffen verfügen könnten. 1991 wurde mit ähnlicher Begründung Krieg gegen den Irak geführt (der zuvor ebenfalls von den USA hochgerüstet worden war): damit der Irak keine A-Waffen bauen könne. Unterdessen hat zum Beispiel Pakistan A-Waffen gebaut (und getestet); doch Pakistan ist mit den USA verbündet. Aber Pakistan protegiert die afghanischen Taliban, welche wiederum Osama Bin Laden beschützen...

Die Bombardierung von so wenig definierbaren Zielen wie ‹Infrastrukturen des Terrorismus› ist weder eine wirksame Strategie noch eine glaubwürdige Abwehr künftiger Anschläge. Vor allem nicht, wenn in Zukunft billigere und kleinere Waffen mit Massenvernichtungspotential für Terroristen zugänglich sein werden. Die Botschaft, die den Terroristen mit diesem Vergeltungsschlag übermittelt wurde, lautet: Beschleunigt eure Bemühungen, neue Waffen zu beschaffen, und lagert sie mitten in den Wohngebieten eurer Bevölkerung!

Marcel Hänggi