von Pierre André Rosselet
Wir sind uns und unseren hoffnungsvollen Gleichgesinnten schuldig, bald eine neue Abschaffungsinitiative zu lancieren. Weder kontraproduktiv noch verantwortungslos ist dies dann, wenn wir die Weitsicht der 'Profis' mit dem Elan der Basis, die Erfahrung der Gründer mit dem Drang der Jugend verbinden. Klugheit hat an der Vollversammlung vom 31. März die GSoA vor dem Eklat bewahrt. Das ungespaltene Potential bleibt der GSoA erhalten. Klug wurde beschlossen, für die GSoAII die Ängste der Menschen ernst zu nehmen. Dazu möchte ich konkrete Vorschläge machen:
Angst Nr. 1: Soziale Unsicherheit Soziale Unsicherheit durch globale Wirtschaftsstrukturen sieht Andi Gross mit Recht als eine der grössten Ängste unserer Zeit. Der Idee einer Schweiz ohne Armee ist dies aber keinewegs abträglich. Im Gegenteil ist allen klar, dass die Armee absolut nichts gegen soziale und wirt- schaftliche Gefahren tun kann. Das einzige, was heute die Schweiz gegen diese Gefahren tun kann, ist ihre finanziellen Mittel so effizient als möglich einzusetzen. Durch die Abschaffung der ineffizienten Armee werden jährlich sieben Milliarden Franken Staatsgelder und ebensoviel Gelder aus der Privatwirtschaft frei, welche gezielt dafür eingesetzt werden können, den Menschen die Angst vor dem Existenzverlust zu nehmen. Wir können dies zwar im Initiativtext nicht festschreiben, sonst würde GSoAII ungültig erklärt. Wir können diese Möglichkeit aber ausdrücklich offen lassen. Ich schlage deshalb für Punkt 2 der Initiative Nr. 1 folgenden Text vor: «Freiwerdende Mittel werden einerseits für zivile Friedenssicherung im In- und Ausland, anderseits für andere vordringliche, durch die Bundesversammlung beschlossene Aufgaben eingesetzt». In einer Zeit existentieller Ängste ist der Begriff 'Friedenssicherung im In- und Aus- land' leider zu schwammig, um die enormen Gelder zu 'verdienen', welche durch die Abschaffung der Armee frei werden. Die StimmbürgerInnen müssen wissen, dass diese ungeheure Summe von 'ihren' demokratischen Organen notfalls auch für die soziale Sicherheit, Investitionsförderung in der Wirtschaft, Schaffung ziviler Arbeitsplätze und weitere wesentliche Aufgaben eingesetzt werden kann - nur nicht fürs Militär. GSoAII würde damit nicht zuletzt auch vom Ärger über die Ungültigerklärung der Halbierungsinitiative profitieren. Vielleicht könnte dann GSoAII sogar eine zweite Halbierungsinitiative unnötig machen.
Angst Nr. 2: Zivile Katastrophen Sogenannte subsidiäre Aufgaben wie die zivile Katastrophenhilfe hat sich die Armee in letzter Zeit vermehrt auf die Fahnen geschrieben, um sich gegenüber GSoA-Angriffen zu rechtfertigen. Dieser Armee-Werbegag entwickelt sich aber zum Bumerang, ist doch die Armee die denkbar ineffizienteste Institution, um zivile Hilfsaufgaben zu erfüllen. Bereits der Begriff sagt es: subsidiäre sind zweitrangige Aufgaben! Der grösste Teil des sündhaft teuren Materials - Gewehre, Ueberschallflugzeuge, Panzer, Kanonen, Munition etc. - ist nicht auf zivile Hilfeleistung, sondern auf Krieg und Zerstörung ausgerichtet. Dasselbe gilt für die Ausbildung. Noch schlimmer ist der Umgang mit der immer wertvolleren Zeit: 50% Herumstehen, 45% Vernichten imaginärer Feinde, 5% Helfen. Nutzen und Schaden durch die Armee stehen in der Schweiz von heute so zueinander, wie wenn wir uns für jedes Honigbrot von einer Biene stechen lassen müssten - ökonomisch, ökologisch und spirituell viel zu schmerzhaft! So konkret wie das, was wir abschaffen wollen, muss aber auch das sein, was wir schaffen wollen. In der Initiative 2 scheint mir deshalb wichtig, die Aufgaben des Friedensdienstes im Inland, den allzu schwammigen Begriff des 'gemeinschaftsrelevanten Bereichs' durch kon- krete Beispiele zu erläutern, z.B.: - Betreuung sozial und gesundheitlich benachteiligter Menschen - Katastrophenhilfe - Verhinderung von Delikten durch intensive persönliche Betreuung von Haftentlassenen - Verhinderung von Zerstörung durch friedliche Schlichtung drohender Krawalle - Sicherung der Versorgung der Bevölkerung in Krisenzeiten
Fazit: Es fehlt nicht an Originalität, wenn wir - getreu unserem Namen - 1997/98 mit voller Kraft wieder eine Schweiz ohne Armee fordern. Originell und einfühlsam müssen aber unsere Argumente sein, konkret und farbenfroh unsere Alternativen zum grauen Moloch. Gehen wir dabei auf möglichst viele Menschen, ihre Ängste und Wünsche ein, sprechen wir lustvoll aus ihren wie auch aus unseren Herzen, so werden wir die Armee zum Auftakt des neuen Jahrtausends abgeschafft haben.