Das Projekt eines Schweizer Friedensdienstes zielt unter anderem auf die gewaltfreie, zivile Intervention ausserhalb unserer Landesgrenzen. Welches Recht nehmen wir uns aber, uns in die Angelegenheiten anderer, in fremde Händel einzumischen? James Derieg hat sich als Mitglied des Koordinationsrates des Balkan Peace Teams ausgiebig mit dieser Frage beschäftigt.
Von James Derieg
In letzter Zeit finden wieder vermehrt Diskussionen darüber statt, wie mit zivilen Teams in Konfliktgebieten ausserhalb des eigenen Landes interveniert werden müsste. Die Auseinandersetzung dreht sich dabei um die Frage, ob dies einer Einmischung in die inneren Angelegenheiten eines souveränen Staates oder sogar einem modernen Imperialismus gleichkomme. Es gibt aber gute Gründe, solche zivilen Interventionen als moralisch und - gemäss internationalem - Recht juristisch abgesichert zu betrachten.
Die internationale Konvention über zivile und politische Rechte hält in ihrer Präambel unmissverständlich fest, dass Individuen in ihren Pflichten gegenüber anderen
Individuen und gegenüber der eigenen Gemeinschaft auch verantwortlich sind für die Durchsetzung und Überwachung der in der Konvention festgelegten Rechte.
Der Bezug auf die eigene Gemeinschaft darf nicht in einem eingrenzenden Sinne verstanden werden, sondern meint einfach, dass Individuen Verpflichtungen
gegenüber der eigenen Gemeinschaft und gegenüber anderen Individuen haben.
Die Staaten sind rechtlich verpflichtet, die internationalen Menschenrechtsgesetze anzuwenden. Zivile Intervention im Bereich der Menschenrechte, ob von
Einzelpersonen oder von Nicht-Regierungsorganisationen durchgeführt, will dem Staat darin beistehen, seine eigenen Verpflichtungen wahrzunehmen. Internationale
MenschenrechtsaktivistInnen nehmen eine wesentliche Aufgabe wahr, indem sie Menschenrechtsverletzungen öffentlich machen und indem sie das Verhalten eines
Staates gegenüber diesen Verletzungen beobachten. Eine andere wichtige Aufgabe erfüllen sie, wenn sie Menschen das Wissen um ihre eigenen Rechte
näherbringen. Hier existieren nämlich grosse Defizite, obwohl die Konventionen dazu staatliche Institutionen im Bereich des Erziehungswesens verpflichten.
Menschenrechts-Interventionen auf der Grundlage internationalen Rechts verletzen die staatliche Souveränität nicht. Staaten, die die internationalen Konventionen unterzeichnet haben, verpflichten sich nämlich zu einer Art kollektiver Souveränität. In diesen Fällen verfängt daher die Imperialismus-Anklage beziehungsweise der Vorwurf, Menschenrechtsintervention seien der Versuch, ein westliches Konzept in grundlegend anderen Kulturen durchzusetzen, nicht. Selbstverständlich muss sich Menschenrechtsintervention immer auf die lokalen Gegebenheiten und kulturellen Bedingungen einlassen. Internationale Gesetze bleiben dennoch gültig, haben doch diese Staaten die entsprechenden Bedingungen selber unterschrieben. Es gibt heute kaum noch Staaten, die diese Verpflichtungen nicht eingegangen sind.
Neben diesen Konventionen gibt es noch die universelle Menschenrechtserklärung der Vereinten Nationen. Diese ist allerdings nicht rechtlich bindend. Trotzdem gibt sie den Standard ab, an dem Staaten gemessen werden - auch diejenigen, die die Konventionen nicht unterschrieben haben. Die Menschenrechtserklärung wird oft als Gesetz der Vereinten Nationen bezeichnet. Die Mitgliedschaft in der Uno verpflichtet deshalb dazu, sich konform zu den Prinzipien der Menschenrechtserklärung zu verhalten. Dort steht geschrieben, dass jedes Individuum und jedes Organ der Gesellschaft sich immer dafür einsetzen müsse, dass die Menschenrechte und persönlichen Freiheiten respektiert werden. Nirgendwo steht geschrieben, dass dieser Einsatz an den Grenzen des eigenen Landes Halt zu machen habe.
GSoA-Zitig Nr.68, November 1996