Das Parlament ist auf dem besten Weg, heute in Bezug auf die widerlichen Kriegsgewinne von Waffenschiebern und Rüstungsexporteuren dieselbe Politik zu machen, die sich der Bundesrat während und nach dem Zweiten Weltkrieg leisten zu können glaubte: Vertuschen, verschleiern, herunterspielen, verleugnen und wegschauen auf der einen Seite, aktive Helfersdienste für jene, die über alle Leichen hinweg ihr Geschäft machen wollen, auf der anderen Seite.
Von Peter Hug
Ein Lehrstück in dieser Politik lieferte einmal mehr der Ständerat, der in seiner Herbstsession als Zweitrat die Initiative Für ein Verbot der Kriegsmaterialausfuhr ablehnte und wie schon der Nationalrat in der Frühjahrssession die vom Bundesrat vorgeschlagene Revision des Kriegsmaterialgesetzes (KMG) und das neue Güterkontrollgesetz (GKG) weiter verwässerte.
Wie der Nationalrat will auch der Ständerat von den Menschenrechten und den Bestrebungen der Entwicklungszusammenarbeit nichts wissen. Beide Räte strichen
diese Bewilligungskriterien kurzerhand aus dem Gesetz und nehmen damit in Kauf, dass Kriegsmaterialexporte weiterhin in Widerspruch zur schweizerischen
Menschenrechts- und Entwicklungspolitik stehen werden.
Zudem höhlte der Ständerat das Kriegsmaterialgesetz weiter aus, indem er zahlreiche neue Schlupflöcher schuf. So sollen Bestand- und ganze Bauteile von
Kriegsmaterial Ausfuhrbewilligungen erhalten, ohne dass der Bundesrat überhaupt weiss, wer deren Endverbraucher sein wird. Dann sollen Fabrikationsmittel und
Lizenzen zur Herstellung von Kriegsmaterial nur dann eine Ausfuhrbewilligung benötigen, wenn diese für das Schlussprodukt unerlässlich seien - was immer das
heisst.
Geradezu eine Einladung zum Waffenschieben stellt die ständerätliche Klausel dar, dass Kriegsmaterial produzierende Firmen grundsätzlich keiner Bewilligung für
die Vermittlung von Kriegsmaterial bedürfen.
Den skandalösen Satz des Nationalrates: «Nicht als Ausrüstungsgegenstände im Sinne [des Gesetzes] gelten militärische Trainingsflugzeuge mit
Aufhängevorrichtungen» strich der Ständerat zwar. Er war der Meinung, dass der Export der Pilatus-Militärtrainer nicht in absolut jedem Fall bewilligungsfrei
erfolgen solle. Die vom Ständerat beschlossene Alternative stellt aber immer noch einen gewaltigen Rückschritt gegenüber dem heutigen Rechtszustand dar. So
wäre es aufgrund der ständerätlichen Beschlüsse für den Bundesrat nicht mehr möglich, wie 1995 direkt gestützt auf die Bundesverfassung den Export von Pilatus
PC-7 nach Mexiko zu verhindern. Die mexikanische Regierung setzte bekanntlich früher gelieferte Pilatus-Flugzeuge zur Aufstandsbekämpfung in Chiapas und
anderswo ein.
Der Ständerat beschloss, die PC-7 und PC-9 wenigstens dem Güterkontrollgesetz zu unterstellen. Der Bundesrat soll deren Export aber nur nach jenen Staaten
verweigern können, gegenüber denen bereits die Uno oder die EU ein Kriegsmaterial-Embargo beschlossen hat. Wie einer Anfrage des Europaparlamentariers Gijs
de Vries an die EU-Kommission vom 18. März 1996 zu entnehmen ist, bestehen gegenwärtig solche EU-weiten Kriegsmaterialausfuhrverbote nur gegenüber
Syrien, Libyen, Irak, Burma, Sudan, Nigeria und Ex-Jugoslawien. Ausfuhrgesuchen der Firma Pilatus nach allen übrigen Ländern müsste gemäss der
ständerätlichen Beschlüsse der Bundesrat zwingend stattgeben: Eine Bankrotterklärung einer eigenständigen Schweizer Aussenpolitik, die sich per Gesetz dem
Diktat aus Brüssel zu unterwerfen hätte.
Für das Initiativkomitee steht deshalb fest: Es gibt weniger denn je eine Alternative zur hängigen Initiative für ein Verbot der Kriegsmaterialausfuhr. Von Anfang an
setzte sich das Initiativkomitee zwar tatkräftig für eine möglichst griffige Revision des Kriegsmaterialgesetzes ein. Heute muss es aber feststellen, dass es in diesen
Bestrebungen kläglich an der bürgerlichen Mehrheit in den beiden Räten gescheitert ist.
Umso mehr geht es nun darum, dass sich alle Kräfte, die dem Schweizer Kriegsgewinnlertum den Riegel schieben wollen, für die Initiative einsetzen. Ein
Referendum gegen das neue Kriegsmaterialgesetz würde nur die Bewegung spalten. Im Falle eines erfolgreichen Referendumskampfes bliebe das vollkommen
veraltete und ungenügende Kriegsmaterialgesetz von 1972 in Kraft, was noch unakzeptabler ist als das revidierte.
Die Abstimmung über die Initiative wird aller Voraussicht nach im Juni 1997 stattfinden. Es bleibt zu hoffen, dass alle Kräfte in diesem Land, die nicht mehr bereit
sind, sämtliche ethischen Prinzipien dem Egoismus zu opfern, sich zu einem wirkungsvollen Abstimmungskampf zusammenschliessen werden.
GSoA-Zitig Nr.68, November 1996