Weltweit wird zu oft auf Soldaten gesetzt. Es gibt zuviel militärische und zuwenig zivile Konfliktlösungsmittel. Soweit die Analyse. Der Lösungsansatz kann nicht nur Schweiz ohne Armee lauten. Darüber hinaus muss es um einen friedlichen und zivilen Beitrag zur internationalen Sicherheitspolitik gehen. Deshalb schlägt die GSoA in der zweiten Initiative einen freiwilligen Schweizer Friedensdienst vor. Auf den Seiten 5 bis 7 ist die Diskussion um die Initiative Solidarität schafft Sicherheit und der aktuelle Stand der Arbeiten dargestellt.
Von Nico Lutz
Nach der letzten GSoA-VV wurde an Diskussionveranstaltungen, mehreren Koordinationssitzungen, Regionalgruppentreffen und in Diskussion mit interessierten Organisationen der Initiativvorschlag weiterentwickelt. Das Resultat ist aber immer noch als Initiativentwurf und nicht als konkreter Verfassungstextvorschlag zu verstehen. In der Diskussion waren zentrale Punkte unumstritten. Gleichzeitig bleiben Fragen, die an der Vollversammlung vom 24. November diskutiert werden sollen. Anschliessend soll ein Initiativtext ausgearbeitet werden.
Frieden ist ein gesamtgesellschaftliches Projekt, der Friedensdienst deshalb nicht nur ExpertInnen und SpezialistInnen vorbehalten. Zu einer Grundausbildung in
gewaltfreier Konfliktlösung sollen alle in der Schweiz lebenden Menschen Zugang haben. Zur Lösung von sozialen und gesellschaftlichen Problemen ist eine
Erhöhung der friedlichen Konfliktfähigkeit zukunftsträchtiger als der Ausbau der staatlichen Repressionsmittel. Gegenüber dem alten Initiativentwurf (unten links)
stellt der neue Entwurf (unten rechts, Punkt 1) sicher, dass eine erste Stufe des Friedensdienstes allen offensteht. Je nach beruflicher Qualifikation und Bedarf erfolgt
in einer zweiten Stufe eine spezifischere Ausbildung im Hinblick auf mögliche Einsätze. Vor Einsätzen werden die Friedensdienstleistenden in einer dritten Stufe auf
die konkrete Konfliktsituation vorbereitet. Die zweite und dritte Stufe wäre ähnlich ausgestaltet wie die Ausbildung beim Schweizerischen Katastrophenhilfekorps.
Beim Friedensdienst müssen arbeitsmarktpolitische Sicherungen eingebaut werden, damit der Friedensdienst nicht bestehende Arbeitsplätze konkurriert. Im Artikel
6 des Zivildienstgesetzes vom 6. Oktober 1995 wird festgehalten, dass der Einsatz zivildienstleistender Personen a) keine bestehenden Arbeitsplätze gefährden
darf, b) die Lohn- und Arbeitsbedingungen im Einsatzbetrieb sich nicht verschlechtern und c) keine Wettbewerbsverfälschungen resultieren dürfen. Eine ähnliche
Formulierung wurde in den neuen Initiativentwurf (Punkt 4b) aufgenommen. Ebenso soll der Erwerbsausfall der Friedensdienstleistenden (wie bei Militär- und
Zivildienstleistenden) ausgeglichen werden.
Nichtregierungsorganisationen sollen bei der Ausgestaltung und beim Entscheid über den Einsatz des Friedensdienstes beteiligt sein. Eine Kommission, in der
entwicklungspolitische, friedens- und kirchliche Organisationen sowie Frauenverbände vertreten sind, soll die Einsätze begleiten.
Offen ist, wie detailliert wir die Ausgestaltung des Friedensdienstes explizit vorgeben wollen. Die Frage lautet: Welches sind die Mindestanforderungen für einen
Friedensdienst, die wir auch in der Verfassung verankern wollen?
Diskussionsbedarf besteht weiter darüber, wie der Zugang zum Friedensdienst geregelt werden soll. Die Dienstleistung soll freiwillig erfolgen, ein Problem stellt sich
aber, solange die Schweizer Armee noch besteht und für Männer eine Wehrpflicht existiert.
Zumindest soll geleisteter Friedensdienst den Wehrpflichtigen angerechnet werden. Wenn ein konkreter Einsatz aber nur entsprechend den beruflichen
Qualifikationen und dem Bedarf an Freiwilligen ermöglicht würde, bestünde über eine Grundausbildung hinaus kein Anspruch, Friedensdienst leisten zu können
(Variante Qualifizierter Friedensdienst). Als Alternative zum Militärdienst würde weiterhin der Zivildienst in seiner heutigen Form bestehen. Der überarbeitete
Initiativentwurf geht von dieser Variante aus.
Eine weitergehende Variante wäre, allen Wehrpflichtigen die freie Wahl zwischen einem Friedens- und Militärdienst zu ermöglichen. Wer sich bereit erklärt, gleich
lang Friedensdienst zu leisten, würde von der Militärdienstpflicht befreit. Zu diesem Zweck müssten die Einsatzmöglichkeiten des Friedensdienstes vor allem im
Inland deutlich ausgebaut werden. Der bereits bestehende Zivildienst würde in den Friedensdienst überführt. Zusätzlich könnten zivile Aufgaben, die bisher von der
Armee geleistet wurden, vom Friedensdienst übernommen werden. Diese zweite Variante hätte verschiedene Änderungen im untenstehenden Initiativentwurf zur
Folge.
Zu diskutieren ist auch, ob die Mitentscheidungsmöglichkeiten von Nichtregierungsorganisationen im neuen Initiativentwurf (Punkt 3b) genügend sind, oder ob wir
weitergehende Befugnisse für nichtstaatliche Stellen festsetzen können und wollen.
Am 24. November können wir nicht alle Fragen abschliessend klären. Ausgehend von der Diskussion an der VV soll ein konkreter Initiativtext erarbeitet werden,
den wir in den nächsten Monaten an GSoA-Veranstaltungen und mit interessierten Organisationen diskutieren und allenfalls noch verändern können.
Diskussionspunkte für die VollversammlungEs gilt zu klären, welche Anliegen im Initiativtext ausformuliert - also explizit in die Verfassung aufgenommen - werden sollen und welche Elemente
eines Zivildienstmodells wir nicht direkt in den Initiativtext, sondern nur in die Diskussion einbringen wollen. Unerwünschte Interpretationen des
Initiativtextes müssten verhindert und erwünschte Interpretationen in der gesetzlichen Umsetzung der Initiative erleichtert werden. Irgendwo
zwischen einem Initiativtext, der sich auf die Forderung nach einem Friedensdienst beschränkt und einem ausformulierten Friedensdienstmodell
wird ein sinnvoller Detaillierungsgrad liegen. |
GSoA-Zitig Nr.68, November 1996