Catherine Weber und Nico Lutz
Die GSoA und das Komitee Schluss mit dem Schnüffelstaat sind historisch miteinander verbunden. Am 9. November 1989 fiel in Berlin die Mauer. Die Soldaten, die in Ost und West den Eisernen Vorhang bewacht hatten, standen plötzlich nutzlos herum. Im November 1989 präsentierte die parlamentarische Untersuchungskommission ihren Bericht zum Fichenskandal. Ebenfalls im November 1989 stimmten die SchweizerInnen über die Armeeabschaffung ab. Im Januar 1990 erstürmten dann BürgerInnen der damaligen DDR das Stasi-Archiv in Berlin.
1990 lancierte das Komitee gegen den Schnüffelstaat die Initiative SoS - Schweiz ohne Schnüffelpolizei, und jetzt hat es das Referendum gegen das neue eidgenössische Schnüffelgesetz gestartet.
Die Armee und die Staatsschützer haben ebenfalls diverse Gemeinsamkeiten. Nicht nur, dass sie ihre nachrichtendienstlichen Informationen rege austauschen. Sie haben beide aus den Veränderungen der letzten Jahre fragwürdige Schlüsse gezogen und arbeiten weiter - munterer auf Feindbildsuche denn je.
Die Beamten der Bundespolizei und der Kantone geben heute ihre Daten in den Computer ein. Das erleichtert das Handling. Seit 1990 sind nach Ansicht von ExpertInnen 80000 Personen in die Mühlen des Staatsschutzcomputers ISIS geraten. 1994 hiess es offiziell, 40000 angebliche ExtremistInnen seien erfasst. Seitdem werden genaue Zahlen geheimgehalten.
Auch die Armee wurde nach 1989 etwas renoviert. Die Geheimarmeen P26 und P27, deren Existenz eine parlamentarische Untersuchungskomission aufgedeckt hatte, musste liquidiert werden. Aber die angestrengte Suche nach Bedrohungen, welche die Armee rechtfertigen könnte, hat den Kampf gegen den "inneren Feind" wieder interessant gemacht. Die jüngst geübten Einsätze im Ordnungsdienst gegen Arbeitslose, Bauern und AusländerInnen haben dies unmissverständlich klar gemacht. Wenn früher der böse Feind im Osten volkswirtschaftliche Kosten von über 10 Milliarden für die militärische Landesverteidigung begründete, so muss heute dafür eine breite Palette von mehr oder weniger phantasievoll ausgeschmückten Bedrohungen herhalten.
So wenig wie die Armee schützt der Staatsschutz vor Krieg, Kriminalität oder Gewalt. Die Verfolgung von Straftaten ist Sache der normalen Polizei und der gerichtlichen Untersuchungsbehörden. Das reicht. Die geheimen Staatsschützer brauchen, so will es das neue Gesetz, nicht einmal einen Strafverdacht. Ihre Arbeit lebt vom allgemeinen Misstrauen - auch gegenüber der Wahrnehmung demokratischer Rechte. Unter dem Vorwand, dem Missbrauch von Grundrechten vorzubeugen, können soziale Bewegungen weiter bespitzelt werden. Und was Missbrauch und Bedrohung der Grundrechte sein soll, kann die politische Polizei nach wie vor selber bestimmen. Noch 1989 hatte die Bundespolizei beispielsweise nichts gescheiteres zu tun, als anlässlich des Stop-the-Army-Festivals auf dem Berner Bundesplatz die Kennzeichen der im Umfeld parkierten Fahrzeuge zu notieren und deren Halter zu überprüfen.
Nach dem Fichenskandal musste die Einsicht in die Fichen und Dossiers der Staatsschützer hart erstritten werden. Jetzt soll dieses unbequeme Recht schlicht und einfach wieder abgeschafft werden. Selbst die Proteste des eidgenössischen Datenschutzbeauftragten und des Sonderbeauftragten für die Einsicht in die alten Staatsschutzakten waren vergeblich. Was ein Staatsschutz ausrichten kann, der nach dem Motto was geheim ist, soll auch geheim bleiben arbeitet, haben wir aber schon erlebt.
Am 3. März 1990 forderten 35000 Menschen vor dem Bundeshaus die Abschaffung der politischen Polizei. Bald darauf wurde die Initiative SoS - Für eine Schweiz ohne Schnüffelpolizei gestartet und 1991 eingereicht. Statt zügig über die Initiative abstimmen zu lassen, hat der Bundesrat auf Zeit gespielt. Der Staatsschutz wurde weder abgeschafft noch eingeschränkt, sondern durch den Aufbau des Computersystems ISIS modernisiert. Mit dem Bundesgesetz über Massnahmen zur Wahrung der inneren Sicherheit soll nun endgültig Recht werden, was zu Beginn der 90er Jahre noch Skandal war. Auf dieses Schnüffelgesetz gibt es nur eine Antwort: das Referendum. Deshalb den nebenstehenden Unterschriftenbogen bitte so schnell wie möglich ausfüllen und zurückschicken. Herzlichen Dank!