George W. Bush
1600, Pennsylvania Ave.
Washington, DC
Lieber Gouverneur Bush,
Heute also ist der Tag,
an dem, wie Sie es nennen, die "Stunde der Wahrheit" gekommen ist, der
Tag, an dem "Frankreich und der Rest der Welt ihre Karten auf den Tisch
legen müssen". Ich höre mit Freude, dass dieser Tag endlich da
ist, denn, das muss ich Ihnen schon sagen, nachdem ich 440 Tage lang Ihre
Lügen und Hinterhältigkeiten ertragen habe, war ich mir nicht
sicher, ob ich es noch länger aushalten würde. Und darum bin
ich froh, dass heute der Tag der Wahrheit ist, denn ich hab ein paar Wahrheiten,
die ich gerne mit Ihnen teilen würde.
1. Es gibt vermutlich keinen
in Amerika (abgesehen von Talk-Radio Spinnern und Fox News), der wild darauf
ist, mit einem Gung-Ho Schrei auf den Lippen in den Krieg zu ziehen. Das
können Sie mir ruhig glauben. Gehen Sie mal raus aus dem Weissen
Haus und auf irgendeine Strasse und dann suchen Sie FÜNF Menschen,
die unbedingt Irakis umbringen möchten. Sie werden sie nicht finden.
Warum? Weil noch nie ein Iraki hierher gekommen ist, um irgendeinen von
uns zu töten. Kein Iraki hat uns auch nur jemals damit gedroht. Ja,
und sehen Sie: So denken wir Durchschnitts-Amerikaner halt: Wenn irgendjemand
keine Anzeichen erkennen lässt, dass er beabsichtigt unser Leben zu
bedrohen, dann, glauben Sie's oder nicht, haben wir gar keine Lust ihn
zu töten. Das ist komisch, aber so läuft das nun mal.
2. Die Mehrheit der Amerikaner
- also diejenigen, die Sie nicht gewählt haben - lassen sich von Ihrer
Propaganda über Massenvernichtungswaffen nicht blenden. Dagegen wissen
wir sehr genau, wo die wirklichen Probleme liegen, die unser tägliches
Leben prägen - und keines von ihnen fängt mit I- an und hört
mit -k auf. Das nämlich macht uns wirklich Angst: zweieinhalb Millionen
Menschen haben seit Ihrem Regierungsantritt ihren Arbeitsplatz verloren;
die Börse ist zu einem grausamen Witz verkommen, niemand weiss,
ob das Geld für seine Rente noch da sein wird, Benzin kostet inzwischen
fast zwei Dollar - die Liste lässt sich beliebig verlängern.
Durch die Bomben auf den Irak wird keines dieser Probleme verschwinden
- Sie müssen verschwinden, damit die Probleme gelöst werden.
3. Wie Bill Maher letzte
Woche sagte: Wie tief sind Sie bloss gesunken, wenn Sie den Popularitätswettbewerb
mit Sadam Hussein verlieren? Die ganze Welt ist gegen Sie, Mr. Bush. Zählen
Sie Ihre Landsleute auch dazu!
4. Der Papst hat gesagt,
dass dieser Krieg falsch ist, dass er EINE SÜNDE ist. Der Papst!
Aber noch schlimmer: Auch die Dixie Chicks sind jetzt gegen Sie. Wie schlimm
muss es eigentlich noch kommen, bis Sie endlich begreifen, dass Sie
in diesem Krieg eine Ein-Mann-Armee sind? Natürlich ist das ein Krieg,
in dem Sie persönlich nicht kämpfen müssen. Ganz so wie
damals, als Sie sich klammheimlich aus dem Staub gemacht haben, während
die armen Jungs an Ihrer Stelle nach Vietnam verschifft wurden.
5. Von den 535 Kongress-Mitgliedern
hat ein einziger (!!!) (Sen. Johnson aus South Dakota) einen Sohn oder eine
Tochter in der Armee. Wenn Sie wirklich für Amerika einstehen wollen,
dann schicken Sie doch jetzt Ihre Zwillingstöchter nach Kuweit und
lassen Sie sie ihre Schutzanzüge gegen Chemiewaffen anziehen. Und
dann lassen Sie uns zusehen, wie jedes Kongressmitglied, das ein Kind im
kriegstauglichen Alter hat, dieses für unsere Kriegsanstrengungen
opfert. Was meinen Sie? Sie glauben das nicht? Also ganz ehrlich - wir
auch nicht!
6. Und schliesslich:
Wir lieben Frankreich. Ja gut, sie haben gelegentlich ziemlich Bockmist
gebaut. Ja, ein paar von ihnen können einem ziemlich auf die Nerven
gehen. Aber haben Sie denn ganz vergessen, dass wir dieses Land Amerika
ohne die Franzosen überhaupt nicht hätten? Dass es ihre Hilfe
im Revolutionskrieg war, die ihn uns schliesslich gewinnen liess?
Dass unsere grössten Denker und Gründerväter - Thomas
Jefferson, Ben Franklin usw. - viele Jahre in Paris verbrachten, wo sie
ihre Konzepte ausarbeiteten, die zu unserer Unabhängigkeitserklärung
und unserer Verfassung führten? Dass es Frankreich war, das uns die
Freiheitsstatue geschenkt hat, dass es ein Franzose war, der den Chevrolet
konstruiert hat, dass es ein französisches Brüderpaar war, das
das Kino erfunden hat? Und jetzt tun sie das, was eben nur ein guter Freund
tun kann - sie sagen Ihnen die Wahrheit über Sie selbst, gerade heraus
und ohne Umschweife. Hören Sie auf die Franzosen anzupissen und danken
Sie ihnen, dass sie die Dinge ein- für allemal klar aussprechen. Wissen
Sie, Sie hätten wirklich ein bisschen mehr verreisen sollen, bevor
Sie das Amt übernahmen. Ihre Unkenntnis der Welt hat Sie nicht nur
lächerlich gemacht, sie hat Sie auch in eine Ecke gedrängt, aus
der Sie nicht mehr herauskommen.
Na ja, freuen Sie sich, es
gibt ja auch gute Nachrichten: Da Sie diesen Krieg nun unbedingt durchziehen
wollen - er wird höchst wahrscheinlich bald zu Ende sein, denn ich
vermute mal, dass es nicht viele Irakis gibt, die bereit sind, ihr Leben
wegzuschmeissen, um Sadam Hussein zu schützen. Wenn Sie diesen
Krieg "gewonnen" haben, werden Sie unheimlich populär sein, denn das
Volk liebt nun mal einen Sieger - und wer sieht nicht gerne ab und an zu,
wenn einem so richtig der Arsch versohlt wird - insbesondere, wenn's ein
Arsch aus der Ditten Welt ist! Tun Sie also ihr Bestes, um diesen Sieg
zu erringen, und tragen Sie ihn bis zu den Wahlen im nächsten Jahr.
Natürlich ist noch ein langer Weg bis dahin, und wir werden noch eine
ganze Zeit lang gequält lachen müssen, während wir zusehen,
wie unsere Wirtschaft noch weiter den Bach hinunter geht.
Aber, hey, wer weiss - vielleicht finden Sie ja ein paar Tage vor der Wahl Osama! Sehen Sie,
SO müssen Sie denken! GebenSie die Hoffnung nicht auf! Töten
Sie die Irakis - sie haben unser Öl!
Michael Moore
Quelle: www.michaelmoore.com, deutsche Übersetzung www.detlev-mahnert.de/moore.html
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