Ziviles Friedenshandwerk statt militärisches Kriegshandwerk!

Das Ende des Kalten Krieges und erst recht die Auflösung des Warschauer Paktes 1991 stürzten die meisten Armeen in Legitimations- und die Rüstungskonzerne in Absatzkrisen. Am stärksten betroffen war die Nato, die ihre Existenz immer mit der des Warschauer Paktes begründet hatte. Gleichzeitig bot die Implosion des so genannt „realsozialistischen” Lagers den USA die Chance, ihre militärische Macht imperial auszuweiten. Zur Bannung der Gefahr wie zur Wahrung der Chance sollte sich der grossserbische Tyrann Milosevic als klassischer „Diabolus ex machina” erweisen. Am Anfang des Balkankrieges standen eine UNO und eine OSZE, die dank ihrer Rolle bei der friedlichen Auflösung des Ostblocks ein hohes Ansehen genossen, was sie für die Nato umso gefährlicher machte. Am Schluss standen im Frühjahr 1999 der völkerrechtswidrige Kosovokrieg, die Verwandlung der Nato in ein globales Offensivbündnis und die Marginalisierung der UNO.


90er Jahre: Nato bootet UNO aus

Robert Kagan schrieb im neokonservativen Kultbuch „Macht und Ohnmacht. Amerika und Europa in der neuen Weltordnung”, dass die „Existenzfähigkeit des Bündnisses” zu den „Hauptzielen der amerikanischen Intervention” im Kosovo gehört hat, „so wie die Erhaltung der Allianz ein Hauptmotiv der früheren Intervention der USA in Bosnien” gewesen ist.1 In Begriffen aus der Schweizergeschichte ausgedrückt: Der Sonderbund des reichen Nordwestens dieses Planeten hat innert eines Jahrzehnts den Bund der Völker ausgebootet. Der völkerrechtswidrige Irakkrieg vier Jahre später war eine Folge dieser Fehlentwicklung.

Deren Schlüsselmoment war der Bosnienkrieg 1992 bis 1995. Bereits im Mai 1992 erteilte die Nato der Forderung von UNO-Generalsekretär Boutros-Ghali, die UNO mit ausreichenden militärischen Kapazitäten für Operationen unter Führung des Sicherheitsrates auszustatten, im Geheimdokument „MC 327″ eine klare Absage. Dieses vom Nato-Militärausschuss ausgearbeitete Konzept beinhaltete im Wesentlichen vier Punkte: a) Interventionen nur, wo es um eigene Interessen geht (also nicht in Ruanda); b) völlige militärische und politische Kontrolle über den Einsatz durch die Nato; c) von Nato-Staaten gewonnene Aufklärungserkenntnisse werden nicht der UNO weiter gegeben; d) die Nato bestimmt, wann und zu welchen Bedingungen ein vom Sicherheitsrat beschlossener Einsatz beendet wird. In dieser zynischen Logik liegt der Hauptgrund für das „Versagen der UNO” bei der Verteidigung der muslimischen Enklaven Srebrenica und Zepa.2 Begleitet war dieser Prozess durch die Osterweiterung der Nato, mit der die OSZE marginalisiert wurde. Präsidiert wurde der dafür zuständige US-Ausschuss vom Vizepräsidenten des Rüstungskonzerns Lockheed Martin.


Für Rohstoffe und gegen Flüchtlinge

Zwei wichtige Motive für die Nato-Offensive waren die Garantierung der „Zufuhr lebenswichtiger Ressourcen” sowie die Abwehr der „unkontrollierten Bewegung einer grossen Zahl von Menschen”3. Schon ein Jahr bevor die neue Global-Strategie der Nato festgeschrieben wurde, hatte Admiral T. Joseph Lopez, damals Oberkommandeur des Nato-Südabschnitts, betont: „Die einzige Möglichkeit, Vorgänge in entfernten Ländern zu beeinflussen”, laute, „dort präsent zu sein”. In seinem Bedrohungsszenario erwähnt der Chef der „Allied South Forces” insbesondere „Flüchtlingsbewegungen und illegale Einwanderung” sowie „die strategischen Ressourcen”.4) Um Ähnliches geht es bei den Interventions-Szenarien der Europäischen Union, wie beispielsweise ihr European Defence Paper aus dem Jahre 2004 illustriert: „In einem Land x, das an den Indischen Ozean grenzt, haben antiwestliche Kräfte die Macht erlangt und benutzen Öl als Waffe, vertreiben Westler und greifen westliche Interessen an.” Ziel sei es „das besetzte Gebiet zu befreien und die Kontrolle über einige der Ölinstallationen, Pipelines und Häfen des Landes x zu erhalten.”5


„Sicherheit durch Kooperation” mit der Nato

Nach dem Schock vom 26. November 1989 brauchten die helvetischen Militärs eine gewisse Zeit, bis sie erfassten, wo sie neue Legitimitätsressourcen erschliessen konnten: in Auslandeinsätzen. „Sicherheit durch Kooperation” lautete das Motto, unter dem die Zusammenarbeit mit der Nato gesucht wurde. Ein erster Schritt war der
Beitritt zur Nato-Partnership for Peace (1996) – gegen den Widerstand von GSoA, Grünen und dem armeekritischen SP-Flügel. Heftiger gestritten wurde 1999 um die Unterstützung des völkerrechtswidrigen Nato-Kriegs über dem Kosovo und über Serbien. Am tiefsten war die Spaltung innerhalb der Linken in der Auseinandersetzung um die Revision des Militärgesetzes für militärische Auslandeinsätze im Frühsommer 2001.

Die GSoA, die mit der parlamentarischen Linken immerhin ein UNO/OSZE-Mandat durchgesetzt hatte, bekämpfte die Vorlage mit einem Referendum, weil jene sich inhaltlich und begrifflich auf der aggressiven Nato-Linie bewegte. Die kurz vor der Abstimmung bekannt gewordene Finanzierung der linken Ja-Kampagne durch eine Geheimspende der UBS gehört zu den Tiefpunkten in der Geschichte des Schweizer Linken. Etwa 60 Prozent der Linken legten am 10. Juni 2001 gegen den Isolationismus des rechten Referendumslagers ein Ja in die Urne, was zu dessen knappen Annahme führte.6


Kehrwende dank Antikriegsbewegung

Der Irak-Krieg und die weltweite Friedensbewegung, die im Frühjahr 2003 auf dem Berner Bundesplatz zu den zwei grössten Kundgebungen in der Schweizer Geschichte führten, haben das Kräfteverhältnis innerhalb der Linken und in der Gesellschaft entscheidend verändert. In der Folge wurden im Parlament durch die Summierung der Stimmen aus SVP, Grünen und einer starken SP-Minderheit 2005 die für militärische Auslandeinsätze benötigten Transportflugzeuge und 2009 die Atalanta-Mission vor der somalischen Küste gegen die einheimischen Piraten abgelehnt. Hinter den Kulissen gelang es, die Entsendung eines Detachements nach Afghanistan zu verhindern.

Seither galt das Thema militärische Auslandeinsätze als erledigt. In den letzten Wochen ist es wieder aufgekommen – unter dem alten Titel „Sicherheit durch Kooperation”. Der Umstand, dass es dabei fast ausschliesslich um die „Kooperation” mit der Nato geht, steht angesichts deren wachsenden militärischen Protagonismus und deren Aufrüstungsbestrebungen in Europa ziemlich quer in der politischen Landschaft. Die Chancen für ein Rückkommen auf die Militarisierung der Aussenpolitik sind deshalb eher klein.

Trotzdem gilt: Wehret den Neuanfängen! Die Schweiz soll der Welt das zivile Friedenshandwerk statt das militärische Kriegshandwerk zur Verfügung stellen. Als Wink an die SVP. Zum Friedenshandwerk gehört auch die Entwicklungszusammenarbeit. Und zum Kriegshandwerk der Waffenexport!

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1 Robert Kagan, Macht und Ohnmacht. Amerika und Europa in der neuen Weltordnung, Berlin 2003, S. 58.
2 Andreas Zumach, Die Geschichte der Sieger. Zur neuen Strategie der Nato, in: Stefan Reinecke (Hg.), die neue nato, Hamburg 2000, S. 48 – 56.
3 Zitiert in: Zumach 2000, S. 61.
4 Zitiert in: El-Gawhary, Karim: Das Mittelmeer als neue Front? Die arabische Welt und die neue Nato-Doktrin. In: Reinecke, S. 92.
5 Institute for Security Studies, 2004, European Defence. A proposal for a White Paper. Paris, 81.
6 Josef Lang, Nationale Sicherheitspolitik am Scheideweg. Die Schweiz zwischen militärischem Interventionismus und zivilem Internationalismus, in: Widerspruch Nr. 41. 2001, S. 46-52.

http://www.parlament.ch/ab/frameset/d/n/4811/308344/d_n_4811_308344_308553.htm
http://www.parlament.ch/ab/frameset/d/n/4811/308884/d_n_4811_308884_308885.htm

 

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