Rekrutenguide zum 2.

Unter dem Titel «Yo Kumpel Soldat» berichteten wir in der letzten GSoA-Zeitung über den Rekrutenguide, ein sexistisches und anbiederndes Machwerk, das mit Hilfe des VBS an alle Deutschschweizer Rekruten (Rekrutinnen?) verteilt wurde. Wie im Artikel angetönt, hatte die Sache ein Nachspiel.

Von Barbara Müller*

Als militaristisch, nationalistisch und sexistisch kritisierten wir von der Gruppe «Frauenstimmen gegen den Krieg» den Inhalt des «mit freundlicher Unterstützung des VBS» im letzten Frühjahr an rund 25’000 RekrutInnen verteilten «Rekrutenguides». Unsere Kritik hat einiges ausgelöst: Diverse Medien griffen das Thema auf und die SP-Nationalrätin Barbara Haering reichte beim Bundesrat eine Anfrage zum Thema ein. Das VBS selber versuchte die Angelegenheit erst herunterzuspielen, versicherte dann aber, dass der Rekrutenguide einer inhaltlichen Überprüfung unterzogen und sicher nicht mehr in der gehabten Form erscheinen werde. Und die Macher des Werks, selbst ehemalige Rekruten und Offiziere, entschuldigten sich in Leserbriefen «in aller Form bei allen, die sich angegriffen fühlten».

Alles in allem also eine kleine Erfolgsstory? Nicht ganz, wenn frau bedenkt, dass von den drei Argumentationsschienen, auf denen unsere Kritik aufbaut -Nationalismus, Sexismus und Militarimus – alle, die sich auf irgend eine Weise gegen (oder für – auch das gab es) den Rekrutenguide aussprachen, bloss den Sexismus aufgriffen. Ob der Grund dafür darin liegt, dass eine ernsthafte Auseinandersetzung mit unserer anti-nationalistischen und anti-militaristischen Kritik am Rekrutenguide noch ganz andere und grundsätzlichere Fragen über den Sinn und Zweck der Institution Armee ausgelöst hätte? Oder ist der Grund, dass wir als feministische Friedensgruppe zwar anerkannt sind als Fachfrauen zum Thema Sexismus, jedoch nicht als Fachfrauen zu den Themen Nationalismus und Militarismus?

Für uns ist es zentral, die Verbindung zwischen diesen drei «-ismen» zu benennen und aufzuzeigen, wie sie einander bedingen und unterstützen:

  • Der Guide verschleiert Ziel und Zweck der Armee durch das Hochstilisieren eines kameradschaftlichen Mannstums. Mit Durchhalteparolen wird jede Hürde überwunden und mit Tipps und Tricks jeder Vorgesetzte überlistet. Durch das Fokussieren auf «Überlebensstrategien» in der RS werden Fragen über die Funktion und Auswirkungen von Armeeeinsätzen im In- und Ausland verdrängt. Zum Beispiel über die immer häufiger stattfindenen Demo-Einsätze der Armee oder die bewaffneten Auslandeinsätze zur «Friedenssicherung», wie es im Fall von Bosnien zur Diskussion steht. Kritik an der militärischen Konditionierung und ihrer Auswirkung auf den zivilen Alltag findet nicht statt. Beim Durchlesen des Rekrutenguides wird schnell klar, dass das Werk männlich-militärischer Kamerad- und Seilschaften entspringt, die offenbar auch unter der Doktrin einer Armee XXI weiter florieren.
  • Die im Guide erteilten Geschichtslektionen beschränken sich auf Schlachten, in denen sich Eidgenossen heldenhaft bewähren und reproduzieren somit die Irrmeinung, Geschichte werde vornehmlich von Männern und mittels Kriegen gemacht.
  • Frauen gibt es in der Wahrnehmung der Guide-Macher nur ausserhalb der Armee, entweder als Freundinnen oder Beuteobjekte. Geschlechterverhältnisse werden reduziert auf populärpsychologische Mann-Frau-Stereotypen: Plumpe Anmache, Sex ohne Gummi, billigste Beziehungspflege. Grundsätzlich werden Beziehungen als käuflich und einseitig aus Männerhand gestaltbar dargestellt und allgemein akzeptiertes Wissen über Aids-Prävention und Gleichstellung wird ignoriert. Der Rekrutenguide verknüpft mit dem «Ausgangsführer» ein feuchtfröhliches Freizeitverhalten der Soldaten mit den Profitinteressen der kasernennahen Gastronomie. Und Kuoni Reisen AG, Lichtenstein, bietet mit seiner Rekrutenreise den ewigen Singles und Festbrüdern eine «fette Reise» nach Kos an, wo unter dem Motto: «Ihr habt es euch verdient!» alle möglichen Defizite aufgeholt werden können.

Die biedere Anzüglichkeit des Rekrutenguides ist nicht nur frauenverachtend, sondern auch für junge Männer beleidigend. Sein Jargon zeugt von vaterländischer Engstirnigkeit, Militärgläubigkeit und einem überholten Geschlechterverständnis.

Wir danken allen, die dazu beigetragen haben, dass diese Broschüre in der vorliegenden Form nicht mehr verteilt wird.

* Barbara Müller ist Mitglied der «Frauenstimmen gegen den Krieg». In den «Frauenstimmen gegen den Krieg» sind die cfd-Frauenstelle für Friedensarbeit, die Frauen für den Frieden Zürich, FemCo und Einzelfrauen beteiligt.

, ,