UN-Truppe im Libanon

Der Libanonkrieg und das Schweigen der Komplizen Am 20. September stimmte der Bundestag in Berlin mehrheitlich für eine bis zu 2400 Soldatinnen und Soldaten umfassende deutsche Beteiligung an der UN-Truppe im Libanon (UNIFIL).

Von Claudia Haydt*

Die Frage, ob es überhaupt nötig oder gar sinnvoll ist, deutsche Soldaten in alle Welt zu schicken gerät zur Nebensache. Am 11. August verabschiedete der UN-Sicherheitsrat die Resolution 1701. In ihrem Rahmen sollen die deutschen Soldaten Unterstützung bei der Absicherung der seeseitigen Grenzen leisten. Waffenschmuggel fand allerdings bisher vorwiegend über den Landweg statt. Es ist einerseits sehr unwahrscheinlich, dass sich dies ändern wird, andererseits ist Waffenschmuggel insgesamt schwer zu stoppen, wenn die entsprechenden Akteure die Unterstützung der Bevölkerung haben. Selbst in den hermetisch abgeriegelten Gaza-Streifen schmuggelten militante Kräfte Katyuscha-Raketen. Glücklicherweise schliesst bis jetzt keine der angedachten Anti-Schmuggel-Strategien ein Gaza-Szenario ein.

Der militärische Sinn einer deutschen Präsenz vor dem Libanon ist also mehr als zweifelhaft. Erreicht wird durch den Einsatz der Bundeswehr in der Region Naher Osten aber auf jeden Fall eine völlige Enttabuisierung deutscher Militäreinsätze. Nach diesem Einsatz wird weltweit keine Region mehr denkbar sein in der aus welchen moralischen Gründen auch immer deutsche Soldaten NICHT eingesetzt werden können.

Zweifel an der Neutralität

Die deutsche Beteiligung am UNIFIL-Einsatz und besonders ihre Begründung lässt in der Region erhebliche Zweifel an der Neutralität des Einsatzes aufkommen. «Die Deutschen haben erklärt, dass sie mit ihrer Mission das Ziel verfolgten, Israel zu schützen», erklärte der syrische Staatschef Assad in einem Interview mit der spanischen Zeitung El Pais. «Damit disqualifizieren sie ihren Einsatz selbst.»Assad fürchtet offensichtlich auch um den syrischen Einfluss auf die Innenpolitik und die Ökonomie des Libanon. Gerade letztere könnte durch die UN-Truppen tatsächlich beeinträchtigt werden. Es ist davon auszugehen, dass Warenlieferungen zwischen dem Libanon und Syrien auf dem Land- oder auf dem Seeweg genau kontrolliert werden. Verzögerungen und Störungen auch der zivilen Transporte sind dabei sehr wahrscheinlich. Dass Frankreich, Deutschland und Italien sowohl massgebliche Truppensteller als auch massgebliche Handelspartner des Libanon sind, stärkt ihre Glaubwürdigkeit nicht unbedingt. Am meisten diskreditiert haben sich wesentliche Truppensteller der UNIFIL-Truppe aber durch ihr langes Zögern einen sofortigen Waffenstillstand zu fordern.
Unter UNO-Fahne soll der Libanon befriedet werden

Schweigen macht zu Komplizen

Warum fiel es den meisten westlichen Staaten so schwer angesichts des unsäglichen Leids der betroffenen Menschen im Libanon und in Israel von beiden Konfliktparteien einen bedingungslosen und sofortigen Waffenstillstand zu verlangen?

Ein zentraler Punkt ist wohl die starke Kompromittierung der USA und vieler EU-Staaten durch ihre eigene Interventionspolitik. Die «Logik» des «Krieges gegen den Terror» ist in ihrer brachialen Machtausübung und Ignoranz gegenüber völkerrechtlichen Bestimmungen nicht grundlegend vom Vorgehen der israelischen Armee zu unterscheiden. Auch die Systematik der Kriegsführung unterscheidet sich kaum. Weder die israelische Regierung noch die «Anti-Terror-Allianz» stellen die Tauglichkeit von Militäreinsätzen zur Herstellung von «Sicherheit» in Frage.

Die US-Regierung, aber auch die Verantwortlichen in Berlin und London erhofften mehr oder weniger offen, dass die israelische Armee im Libanon eine «Lösung des Problems Hisbollah» herbeiführen könnte. Erst wenn Hisbollah als Machtfaktor ausgeschaltet wäre, könnte man einen «nachhaltigen Waffenstillstand» fordern, hiess es noch Anfang August nach gut drei Wochen Krieg. «Die Bundesregierung gibt einer dauerhaften Lösung im Nahen Osten weiter den Vorzug vor einem sofortigen Waffenstillstand.»

Waffenexporte

Leider liefern westliche Staaten – nicht zuletzt Deutschland – nach wie vor Rüstungsgüter in die Region. Der Verkauf von zwei weiteren deutschen U-Booten an Israel oder die Lieferung von Eurofightern an Saudi-Arabien sind lediglich zwei aktuelle Beispiele für die Aufrüstungsspirale im Nahen Osten, die von aussen immer weiter angetrieben wird.

Das TV-Magazin Monitor berichtete am 27.Juli 2006, dass deutsche Waffen ihre Wege zu beiden Konfliktparteien gefunden hatten. Der israelische Standard-Kampfpanzer vom Typ «Merkava» fährt mit einem deutschen Motor. Seine 120-mm-Granaten verschiesst er mit einer in Deutschland entwickelten Kanone. Die Panzerabwehr-Raketen vom deutsch-französischen Typ «Milan» wiederum stellen die grösste Gefahr für die Merkava-Panzer dar. Zwischen 1999 und 2004 kamen Waffenexporte in Höhe von mindestens 1,6 Milliarden Euro in den Nahen Osten.

Zivile Wiederaufbauhilfe ist erforderlich

Aufgrund ihrer grossen moralischen Verantwortung für die Entstehung und die Aufrechterhaltung der Kriege und Krisen im Nahen Osten, sind deutsche Soldaten das denkbar schlechteste und unglaubwürdigste Mittel zur Deeskalation. Ein wesentlicher Schritt zur Vorbereitung einer Lösung könnte ein umfassendes ziviles Wiederaufbauprogramm für alle Opfer des Libanonkrieges sein, das weit über die Zusagen der Geberkonferenz hinausgeht und direkt bei den Betroffenen ankommt. Die Menschen im Süden des Libanon erleben bis jetzt fast ausschliesslich die Hisbollah als Helfer. So wird kaum Akzeptanz geschweige denn Unterstützung für eine Schwächung der Hisbollah zu mobilisieren sein.

Wichtig ist deswegen eine glaubwürdigere Politik mit einer generellen Abkehr von doppelten Standards. Dazu gehört auch einen Abkehr von selektiven Sicherheitskonzepten und selektiver Menschenrechtsauslegung. Der Protest darf sich dabei nicht allein gegen die israelische Militärpolitik richten sondern gegen die gesamte westliche Militär- und Antiterrorpolitik.


*Claudia Haydt ist Religionswissenschaftlerin und Soziologin (MA) sowie Mitglied im Vorstand der Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V.

Der vorliegende Artikel basiert auf einem längeren Artikel von Claudia Haydt, der im «Ausdruck» vom Oktober 2006 erschien

 

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