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vom
7.
4. 2003
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Das EUCOM
und der Widerstand gegen Krieg
Hintergrundinformationen
von Dr. Wolfgang Sternstein
Im Zwei-plus-Vier-Vertrag findet sich in Artikel
2 der schöne Satz: „Die Regierungen der Bundesrepublik Deutschland
und der Deutschen Demokratischen Republik bekräftigen ihre Erklärungen,
dass von deutschem Boden nur Frieden ausgehen wird.“
Das klingt gut, die Wirklichkeit sieht
leider ganz anders aus. Ich denke dabei nicht nur an die höchst umstrittene
Beteiligung der Bundesrepublik am Krieg im Kosovo und am Anti-Terror-Krieg,
sondern auch an die Aktivitäten des auf deutschem Boden operierenden
EUCOM. Völkerrechtlich trägt die Bundesrepublik für alle
Kriegshandlungen, die vom EUCOM ausgehen, die Verantwortung, denn nach
der Resolution 3314 (XXIX) der Generalversammlung der Vereinten Nationen
vom 14.12.74 Art. 3, Buchst. f gilt als Angriffshandlung, wenn ein Staat
es zulässt, „dass sein Hoheitsgebiet, das er einem anderen Staat zur
Verfügung gestellt hat, von diesem dazu benutzt wird, Angriffshandlungen
gegen einen dritten Staat zu begehen".
Was aber ist das EUCOM? Die Abkürzung
EUCOM steht für EUropean COMmand. Es handelt sich um eine rein amerikanische
Militäreinrichtung, die ausschließlich dem Befehl des Pentagon
und des US-Präsidenten untersteht. Eine Verbindung zur NATO besteht
nur in der Person des Oberkommandierenden, der zugleich Oberbefehlshaber
der NATO ist.
Das EUCOM ist eines von fünf den ganzen
Globus umspannenden Kommandozentralen, die einzige übrigens, die dauerhaft
außerhalb der USA angesiedelt ist. In ihrer Gesamtheit bilden sie
den militärischen Arm des US-Imperiums.
Sitz des EUCOM sind die Patch Barracks
bei Stuttgart-Vaihingen. Sein Operationsgebiet umfasst ganz Europa, einen
großen Teil Afrikas, die Türkei, Syrien, Libanon und Israel
sowie Russland und die ehemaligen Sowjetrepubliken in Zentralasien, insgesamt
93 Länder. Mit Recht nannte Eric Chauvistré in einem taz-Artikel
das EUCOM den Feldherrnhügel für die halbe Welt. Von hier aus
wird im Kriegsfall auch der Einsatz der in Europa stationierten Atomwaffen
befehligt, nachdem er vom US-Präsidenten freigegeben wurde.
Vom EUCOM ist in der Vergangenheit immer
wieder Krieg ausgegangen: So der Luftangriff auf Tripolis und Bengasi im
April 1986, der den libyschen Diktator Gaddafi treffen sollte. Nahezu die
gesamte Logistik für den Golfkrieg von 1991 wurde vom EUCOM gesteuert
und die Nordfront kommandiert. Entscheidend beteiligt war es auch an den
Kriegshandlungen im ehemaligen Jugoslawien in den neunziger Jahren.
Der Irak gehört zwar nicht zum Operationsgebiet
des EUCOM, doch arbeitet es dem vorübergehend in Katar angesiedelten
CentCOM zu.
Seit dem 20. März 2003 führen
Amerikaner und Briten nach Auffassung der großen Mehrzahl der Experten
einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen den Irak. Obwohl die
Bundesregierung diesen Krieg offiziell ablehnt, unterstützt sie die
Alliierten, indem sie ihnen Transport- und Überflugrechte einräumt,
den Schutz amerikanischer Militäreinrichtungen in Deutschland übernimmt
und deutsche Soldaten in AWACS-Aufklärungsflugzeugen über der
Türkei Dienst tun lässt. Selbst wenn es derzeit noch keine strafrechtliche
Sanktion für die Unterstützung eines völkerrechtswidrigen
Angriffskrieges gibt - die §§ 80 und 80a des Strafgesetzbuches
stellen lediglich die Vorbereitung und die Aufstachelung zu einem Angriffskrieg
unter Strafe -, so ist doch unstrittig, dass die Bundesregierung die politische
Verantwortung für die Unterstützung eines völkerrechtswidrigen
Angriffskrieges trägt. Darüberhinaus ist sie für alle vom
EUCOM vorbereiteten und durchgeführten Angriffshandlungen völkerrechtlich
verantwortlich.
Die Existenz des EUCOM war der deutschen
Öffentlichkeit weitgehend unbekannt. Erst durch die Protest- und Widerstandsaktionen
der Friedensbewegung beginnt sich das allmählich zu ändern. Den
Auftakt für diese Aktionen bildete eine Sitzblockade vor dem Haupttor
des EUCOM am 12.12.1982 aus Protest gegen die geplante Stationierung neuer
Mittelstreckenraketen in Europa. Jeweils zur vollen Stunde sollte das Haupttor
für 12 Minuten blockiert werden. Die Polizei räumte jedoch die
Fahrbahn und nahm insgesamt 293 Personen fest, darunter auch Pfarrer, Lehrer
und Ärzte. Sie wurde allesamt wegen Nötigung zu Geldstrafen verurteilt.
Am 23.10.1983, auf dem Höhepunkt des Widerstandes gegen die „Nachrüstung",
war das EUCOM Ausgangspunkt der 108 Kilometer langen Menschenkette zwischen
Stuttgart und dem Pershing-II-Standort Neu-Ulm.
In den folgenden Jahren wurde das EUCOM
zum Objekt zahlreicher Protestkundgebungen, Mahnwachen, Gottesdienste und
Ostermärsche, die eindringlich die Rücknahme der Raketenstationierung
forderten, ein Ziel, das schließlich 1987 durch den INF-Vertrag,
der die Verschrottung sämtlicher landgestützter Mittel- und Kurzstreckenraketen
zum Inhalt hatte, erreicht wurde. Es wäre vermessen, diesen Erfolg
ausschließlich der Friedensbewegung zuzuschreiben, doch beigetragen
hat sie dazu zweifellos.
Am 1.3.1989 führte die Atomteststopp-Kampagne
eine Blockade des Haupttores des EUCOM durch, bei der 18 Personen festgenommen
wurden. Nur sechs Monate später blockierte die Kampagne erneut mit
Holzkreuzen, auf denen die Opfer von Atomtests verzeichnet waren, das Haupttor
des EUCOM. Dabei wurden 16 Personen festgenommen, wegen Nötigung angeklagt
und verurteilt.
Die 1988 gegründete EUCOMmunity, ein
Zusammenschluss von rund fünfhundert Bürgerinnen und Bürgern
aus der ganzen Republik, hat sich das Nahziel gesetzt, durch „Entzäunungsaktionen“
den Abzug der noch in Deutschland stationierten 65 atomaren Fliegerbomben
zu erreichen. Ihr Fernziel ist der Abzug des EUCOM aus Deutschland und
Europa.
Bei den Entzäunungsaktionen handelt
es sich um symbolische Landnahmen. Kleine Gruppen von Friedensaktivisten
gehen nach gründlicher Vorbereitung auf das Gelände, nachdem
sie den Zaum, der das EUCOM umgibt, durchschnitten haben. Sie pflanzen
Blumen, säen Getreide und feiern ein Fest der Hoffnung. Sie bleiben
bis zu ihrer Festnahme auf dem Gelände und sind bereit, für ihre
Tat in der Öffentlichkeit und vor Gericht einzustehen. Seit 1990 haben
insgesamt acht Entzäunungsaktionen mit einer Teilnehmerzahl zwischen
7 und 23 sowie mehrere Blockaden stattgefunden. Die große Mehrzahl
der Teilnehmerinnen wurde zu Geldstrafen verurteilt. Einige von ihnen haben
sie sogar im Gefängnis abgesessen.
In den vergangenen Jahren hat sich eine
intensive Zusammenarbeit zwischen der EUCOMmunity, der 1994 gegründeten
„Gewaltfreien Aktion Atomwaffen Abschaffen" und der ökumenischen Friedensinitiative
„Ohne Rüstung Leben" entwickelt. Auch wenn noch ein weiter Weg vor
uns liegt, ehe wir unser Ziel, den Abzug des EUCOM aus der Bundesrepublik,
erreicht haben, so ist es uns wenigstens gelungen, durch Protest- und Widerstandsaktionen
das EUCOM in der Öffentlichkeit bekannt zu machen.
Mit dem dritten Golfkrieg, den Amerikaner
und Briten mit Unterstützung der Regierungen Australiens, Spaniens,
Italiens u.a. am 20.3. begonnen haben, erlebt der Widerstand am EUCOM einen
neuen Aufschwung. Bereits im Vorfeld des Krieges fand am 8.12.02 eine Blockade
des Haupttors statt, bei der 19 Personen festgenommen wurden. Am 8.3.03
gab es eine Wiederholung. Dreihundert Teilnehmer blockierten die beiden
Tore für zwei Stunden, von 117 Personen wurden die Personalien festgestellt..
Am Tag nach Kriegsbeginn blockierten mehrere hundert Personen die Zufahrt
(rund 50 Festnahmen) und am 29.3. umschlossen 6000 Demonstranten mit einer
Menschenkette die Kommandozentrale. Es war die bisher größte
Demonstration am EUCOM.
Selbstverständlich genügt es
nicht, nur den Abzug des EUCOM zu fordern oder nur Nein zu sagen zu Krieg
und Gewalt, es geht uns vielmehr darum, in Gestalt der gewaltfreien Aktion
eine konstruktive Alternative zur Gewalt als Mittel der Konfliktlösung
zu entwickeln und einzuüben. Vielleicht wird dann eines Tages wahr,
wovon der Zwei-plus-Vier-Vertrag spricht, dass von deutschem Boden nur
Frieden ausgeht.
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© Dr. Wolfgang Sternstein
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